Projekt Lori Waxman dOCUMENTA (13)
"Im Rahmen der dOCUMENTA (13) steht Waxman drei Tage pro Woche in einem Büro zur Verfügung, das in einem Ferighaus in der Karlsaue eingerichtet wurde. Interessierte Künstler sind eingeladen, mir ihrer Kunst im Original oder in Reproduktion vorbeizukommen, um sie begutachten zu lassen; wer zuerst kommt, wird zuerst bedient. In einer Art Experiment, bei dem es sowohl um Geschwindigkeit wie auch um Ausdauer geht, betrachtet Waxman die Arbeiten 25 Minuten lang und schreibt dann eine Rezension von 100 bis 200 Wörtern - und verspricht eine wohlüberlegte und kritische, aber nicht unbedingt positive Beurteilung.
Indem sie ihren Laptop an einen zweiten Bildschirm anschließt, auf dem die Besucher ihre Arbeit verfolgen können, legt sie den normalerweise vor der Öffentlichkeit verborgenen Prozess des Nachdenkens, Nachforschens, Schreibens und Überarbeitens offen. ..."
60 WRD/MIN ART CRITIC // KASSEL // 200
Annemarie Finke
Three enormous orange bodies hang like
daredevils from a turquoise tightrope against a
forest of purple and green. Three plastic
clothespins hang upside-down from an outdoor
clothesline. Both of these sentences describe a
modest acrylic painting by Annemarie Finke, a
drippy, boldly colored sketch based on an ink and
watercolor study, based on a photograph taken
by a colleague. The subject is simple and
quotidian enough, but the results fizz with wild
coloration, of riotously awkward tonal
combinations that make inanimate objects come
alive. Alive to the point of narration, in fact, as the
clothespins take on personalities, two of them
chatting together while a third hangs out alone.
Personification can also be an effect of scale, and
to this extent Finke’s clothespins could be a study
for or a painting of a Claes Oldeburg sculpture, as
could her picture of two strawberries. Oldenburg
has done a monumental sculpture of just this
subject in Philadelphia, of course, and Finke’s
painting ingenuously illuminates how this kind of
quotidian surrealism can develop.
—Lori Waxman 8/20/12 3:08 PM
Drei riesige orangefarbene Körper hängen vor dem
Hintergrund eines Waldes, der in Purpur und Grün
gehalten ist, wie die Teufelskerle an einem
türkisfarbenen Seil. Drei Wäscheklammern aus Plastik
hängen kopfüber an einer Wäscheleine im Freien.
Diese beiden Sätze beschreiben dasselbe schlichte
Acrylgemälde von Annemarie Finke, ein tropfender, in
kräftigen Farben gehaltener Entwurf, basierend auf
einer Tinte-Wasserfarben-Studie, die wiederum auf
einer Fotografie basiert, die ein Kollege der Künstlerin
aufgenommen hat. Das Motiv ist einfach und alltäglich,
doch das Ergebnis zischt vor wilder Farbigkeit, ist
voller zügelloser, linkischer Farbkombinationen,
welche die leblosen Objekte lebendig werden lassen.
Das Ganze wird so lebendig, dass die
Wäscheklammern in der Tat zu Personen geraten, zwei
von ihnen miteinander schwatzen und eine dritte
alleine abhängt. Eine solche Personifikation mag ein
Effekt sein, der aus der Größe des Dargestellten
resultiert, und in diesem Sinne könnten Finkes
Wäscheklammern eine Studie für ein Gemälde einer
Claes Oldenbourg Skulptur sein, was auch für ihr Bild
mit den beiden Erdbeeren gilt. Oldenbourg hat eine
monumentale Skulptur einer solchen Wäscheklammer
für Philadelphia geschaffen, und Finkes Malerei erhellt
auf raffinierte Weise, wie ein solcher
Alltagssurrealismus sich zu entwickeln vermag.